Nachrichten – Nichtnachrichten
Zur Erinnerung: Schon lange wissen aufmerksame Menschen, dass Nachrichten mehr der Unterhaltung dienen als der Information. Und auf allen Ebenen, Kanälen und Sendern werden wir mit Nachrichten überschüttet, „News“ auf Neudeutsch, die unsere Emotionen hervorzurufen trachten, „triggern“, wiederum auf Neudeutsch. Was sind das für Emotionen? In erster Linie Betroffenheit, Empörung, Furcht und Angst, seltener Erstaunen oder Freude. Denn gemäß Medienkodex lautet “bad news are good news”. Sie verkaufen sich besser. Und was sich verkaufen lässt, generiert Geld – was sonst. Dazu sind Nachrichten da: Sensation als Geldmaschine. Ich bin ja beheimatet in einer medienschaffenden Familie und weiß, wovon ich rede.
Nachrichten haben immer etwas Tendenziöses; sie beeinflussen den Adressaten, etwas Bestimmtes zu fühlen, sie manipulieren und das heutzutage bewusst. Also können sie, je nachdem, wie sie verfasst sind, auch aufhetzen oder die Gesellschaft spalten. Wir beobachten es allenthalben. Es wird über etwas berichtet, was möglicherweise relevant ist, man lässt jedoch wesentliche Informationen weg oder fügt etwas Phantasie hinzu, und schon hat man den Zuschauer da, wo man ihn haben will: als aktiv kämpfenden Helden gegen das Böse, zum Beispiel gegen irgendeine ungeliebte Partei. Eigenes Denken stört dabei nur.
Ferner erfährt man in der Tagesschau zum Beispiel, dass in der Schweiz ein Zug entgleist ist oder dass jüngst in Düsseldorf beim Feuerwerk ein “Funkensprüher” nicht am Himmel explodierte, sondern direkt über den Zuschauern, wobei einige schwer verletzt wurden. Sicherlich unschön und für die Betroffenen katastrophal.
Schauen wir doch mal, was es mit solchen Nachrichten auf sich hat, in denen ein regionales oder lokales Ereignis verbreitet wird, das national bzw. international ausgestrahlt wird: Sollte man besser nicht mehr mit der Eisenbahn fahren, insbesondere in der Schweiz? Oder komme ich nur noch mit Unannehmlichkeiten durch die Schweiz, obwohl ich gar nicht vorhatte, in der nächsten Zeit in die Schweiz mit der Bahn zu reisen? Muss Feuerwerk an Volksfesten verboten werden? Das wären ja nun logische Konsequenzen, die man aus Nachrichten im Allgemeinen ziehen müsste. Sind Verwandte oder Freunde von mir, da ich ja ganz woanders lebe, betroffen? Wohl eher nicht und wenn, die Nachricht wäre auf direktem Wege zu mir unterwegs.
Mein Schluss daraus ist, dass es sich nur um eine kleine Sensation handelt, die mich gruseln lässt, also Unterhaltung, sonst nichts. Es ist eine Nichtnachricht, irrelevant.
Rolf Dobelli hat in seiner kleinen Lektüre „Die Kunst des klaren Denkens“ angeregt, keine News mehr zu konsumieren, denn etwas anderes tut man da nicht. Es lässt abstumpfen, verschwendet Zeit mit irrelevanten Inhalten und belastet mit negativen Gefühlen. Er rät dazu, sich nur wichtige Nachrichten von Freunden und Bekannten erzählen zu lassen. Das kann allerdings aus meiner Sicht auch ein Fehler sein, wie bei „stille Post“ eben, wo Inhalte verdreht weitergegeben werden.
Wichtige Nachrichten sind solche, bei denen die Empfänger Konsequenzen für ihr Leben ziehen können. Welche Nachrichten sind denn nun wichtig? Es sind solche, die mich, meine Familie, meine Freunde und Verwandten betreffen in meiner Region, in meiner Stadt. Politische Fragen allenthalben, welche die Gesellschaft als Ganze betreffen sind wichtig. Wirtschaftliche Entwicklungen sind es wie der Plan, das Bargeld abzuschaffen. Das wiederum wird verschwiegen, weil der Zuschauer es gar nicht wissen soll, obwohl es sehr wichtig ist.
Die Empfänger wichtiger Nachrichten richten sich danach (Wortsinn) aus und reagieren gegebenenfalls adäquat. Solche Nachrichten wären in der Tagesschau zum Beispiel, dass die Bahn nach einem entsprechenden Unfall spezielle Vorkehrungen getroffen hat, so dass Unfälle nach Möglichkeit ausgeschlossen werden können. Welche Vorkehrungen nun der Bahnnutzer für sich treffen kann, sei dann noch empfohlen. Oder wenn ein Feuerwerk geplant ist, dass national Sicherheitsregeln verkündet werden, welche Feuerwerker und Zuschauer zu befolgen haben. Um politische Themen zu diskutieren soll angeregt werden.
Weil aber in der Tagesschau fast nur Nichtnachrichten ausgestrahlt werden, diese jedoch als besonders wichtig verkauft werden, obwohl die Tagesschau schließlich ein staatlich verordnetes, zwangsfinanziertes Nachrichtenmedium ist, schauen immer weniger Zuschauer diese, sondern suchen sich Informationen, die sie für sich als relevant empfinden, aktiv auf anderen Kanälen zuweilen im Internet. Welche Gefahren hier lauern, braucht man nicht herunterzuspielen, denn die Nichtnachrichten bestehen hier wiederum oft genug in [aus?] Erfindungen und Verdrehungen. Die Logarithmen wählen dann solche aus, die der Nutzer relevant findet, wobei er sich irgendwann in einer Blase von Phantastereien wiederfindet. Somit sei der Rat von Daniele Ganser empfohlen, sich Nachrichten auf verschiedenen wiedersprechenden Kanälen zu einem Sachverhalt zu suchen, zu einem Thema, das man als für sich wichtig erachtet, und dann nach einer Stunde etwa sich eigenen Themen wieder zuzuwenden. So erhält man dann ein differenziertes Urteil.
Wie nutze ich Nachrichten am besten? Gemäß den Ratschlägen von Dobelli und Ganser ohne Betroffenheit, sondern ganz nüchtern auf Relevanz und Konsequenzen bezogen, die sich daraus ergeben. Schaffe ich Nachrichtenjunkie das?
Alexander Droste